Europäischer Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung
Protestaktionen für mehr Teilhabe und Selbstbestimmung an vier Standorten.
Am 5. Mai finden seit mehr als drei Jahrzehnten bundesweit Aktionen anlässlich des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung statt. Inklusion ist ein Menschenrecht, wie es in der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) vor nunmehr 15 Jahren verankert wurde. Der Stand der Umsetzung wurde kürzlich erneut überprüft. Das Ergebnis: Deutschland macht in einigen Bereichen weniger Fortschritte bei der Umsetzung von Inklusion als andere Länder im Durchschnitt.
Insgesamt vier inklusive Gruppen der CAB aus den Werk- und Förderstätten sowie aus den Wohneinrichtungen machten sich zwischen dem 5. und 8. Mai 2024 mit Informationsmaterialien zum Thema barrierefreie Kommunikation in schwerer und in Leichter Sprache auf den Weg, um Missstände aufzuzeigen, aber auch den erfolgreichen Abbau von Barrieren zu dokumentieren.
Sie besuchten in Augsburg, Aichach, Schwabmünchen und Günzburg städtische und private Einrichtungen. Die Orte wurden insbesondere auf Barrieren in der Kommunikation untersucht, dabei stießen die Gruppen jedoch unweigerlich auch auf physische Barrieren, die sie in ihrer Protestaktion einschränkte und es erschwerte, die geplanten Orte zu besuchen.
Gibt es sichtbare und verständliche Informationen, wo ich was finden kann?
Gibt es Leichte Sprache?
Wird auf mich eingegangen, wenn ich Hilfsmittel der Unterstützten Kommunikation nutze?
Ist es möglich, den besuchten Ort selbstständig auch mit einem Rollstuhl mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen?
Kann ich den Ort auch ohne Hilfe anderer betreten oder befahren?
Mit diesen und vielen weiteren Fragen im Gepäck suchten die Protestgruppen das Gespräch mit Menschen an den besuchten Orten. Die Teilnehmer*innen waren dazu aufgerufen, die Orte hinsichtlich ihrer Barrierefreiheit zu bewerten und sich mitzuteilen. Der Fokus lag hierbei auf der barrierefreien Kommunikation, denn es ist noch wenig im Bewusstsein der Gesellschaft, dass Kommunikation auch eine Barriere sein kann, die Menschen von der Teilhabe an öffentlichen Angeboten ausschließt.
Beispiele zu Barrieren und deren Abbau in Augsburg
- Für eine Protestteilnehmerin im Rollstuhl war es nicht möglich, die Straßenbahn am Augsburger Rathausplatz mittels einer Rampe zu verlassen, da diese hier nicht ausgefahren werden kann. Die Protestgruppe hob die Frau in ihrem Rollstuhl aus der Straßenbahn.
- Eine Klingel am Eingang der Bürgerinformation, die den barrierefreien Zugang ermöglichen sollte, war leider außer Funktion. Die Informationen, wo dieser Zugang zu finden ist, waren mit einer Folierung auf dem Schaufenster aufgebracht, nur schwer zu erkennen und für Menschen mit Sehbehinderungen nicht sichtbar.
Die Mitarbeiterinnen der Bürgerinformation kommunizierten sehr verständlich mit der Gruppe und händigten ihr die wenigen verfügbaren Informationsmaterialien in Leichter Sprache aus, die aufgrund geringer Stückzahlen nicht öffentlich auslagen. Auf ein Gespräch mittels Unterstützter Kommunikation haben sich die Mitarbeiter*innen offen eingelassen. Eine junge Frau nutzte ihren „Talker“ - ein Tablet mit Sprachausgabe -, um Fragen zu den Bedingungen in der Bürgerinformation zu stellen. - Das Staatstheater in Augsburg informierte die Gruppe umfassend über den barrierefreien Zugang zur Freilichtbühne, die Möglichkeit einen Gebärdendolmetscher für Theateraufführungen zu bestellen und händigte Flyer in einfacher Sprache und in Braille-Schrift aus.
- Informationen in Leichter Sprache konnte die Gruppe an den besuchten Orten nur auf Nachfrage erhalten; dies stellt eine weitere Hürde dar.
Beispiele zu Barrieren und deren Abbau in Schwabmünchen:
- Die Gruppe erfreute sich einer hervorragenden physischen Barrierefreiheit am Bahnhof. Der dreigleisige Bahnhof ist mit Rampen, Aufzügen und einem Blindenleitsystem ausgestattet. Beim Versuch, eine Fahrkarte am Automaten zu kaufen wurden jedoch erhebliche Kommunikationsbarrieren ausgemacht. Eine Interpretation des Tarifzonenplans war aufgrund der Schriftgrößen nicht möglich und auch die Bedienung des Fahrkartenautomaten war für Teilnehmerin mit Lernschwierigkeiten nicht möglich.
- Der Friedhof in Schwabmünchen verfügt über geteerte Hauptwege, der Zugang zu den Gräbern ist für Personen, die im Rollstuhl sitzen kaum eigenständig möglich, da die Nebenwege gekiest sind. Auch ein Zugang mit einem Rollator dürfte hier beschwerlich sein.
- In der Bibliothek erfreute sich die Gruppe an einem Regal mit Literatur in einfacher Sprache und in Leichter Sprache. Dieses wurde auf Anregung des Stadtrats hin angeschafft.
Nur wenn Öffentlichkeit und Bewusstsein für kommunikative und physische Barrieren geschaffen wird, können die angestoßenen Veränderungen weiter ausgebaut und eine Verbesserung erreicht werden.
Das Fazit: Barrieren sind nach wie vor in fast allen Lebensbereichen vorhanden. Die UN-BRK muss besser umgesetzt werden als bisher. Deshalb ist der von der CABkom und der Aktion Mensch angestoßene Protest unerlässlich und muss weitergehen.